Schottland – Tag 4

Die Nacht schlafe ich unruhig. Ich wache mehrmals auf, drehe und wende mich auf meiner Isomatte und döse wieder weg. Einmal stelle ich schlaftrunken fest das es angefangen hat zu regnen. In den frühen Morgenstunde gebe ich auf und beschließe aufzustehen. Erstaunt muss ich registrieren das mein hübsches, orange leuchtendes Zelt schwarz ist. Besser gesagt, die Innenseite meines Außenzeltes ist großflächig verschmiert von einer Horde toter Midges. Der Regen ist fort, hinterlassen hat er ein durchtränktes Zelt und ein Massengrab für allerlei Insekten. Es müssen tausende sein die an den Wänden kleben.

Wie ihr im Video seht, befindet sich auch vor meinem Zelt eine nicht zu unterschätzende Anzahl. Leider liegt mein Rucksack noch im Vorzelt, wird schwierig da ran zu kommen ohne zerstochen zu werden. Ich schreie, über das stetige Rauschen des Wehres hinweg, zu Konrad „Wollen wir aufstehen?“. Zurück kommt ein gedämpftes „Ja“. Also los. Ich fasse den Plan zuerst meinen Rucksack ins Innenzelt zu bekommen. Es klappt so mittelprächtig, zwanzig dreißig Midges schlüpfen mit durch und belästigen mich während des Einpackens. Ich rudere wild mit den Armen und versuche soviel wie Möglich ins Jenseits zu befördern. Nach dem der Rucksack gepackt ist reiße ich die Reißverschlüsse auf und stürme aus dem Zelt. Aus den Augenwinkeln sehe ich wie Konrad gemütlich vor seinem Zelt steht und in Seelenruhe seine Sachen packt (Ok, etwas übertrieben. Aber ich bin so schnell geflüchtet das es sich so angefühlt hat.). Hat der da drüben keine Midges??? Egal, ich renne erst mal fünfzig Meter weit weg in der Hoffnung das die Viecher von meinem Zelt ablassen. Nach ein paar Minuten leistet mir Konrad Gesellschaft und wir laufen eine kleine Runde um den Midges Zeit zu geben sich zu verstreuen. Auch das klappt nur mittelprächtig. Am Ende habe ich wohl noch nie so schnell mein Zelt abgebaut wie an diesem Morgen.

Nach dieser Erfahrung geht die Wanderung los. Laut Reiseführer stehen 34 Kilometer auf dem Programm. LOL! Keine Chance für uns das tatsächlich zu laufen. Anscheinend gibt es keine Herberge in nächster Zeit. Was schlecht ist, da wir wieder einmal Wasserprobleme haben. Die nächste Siedlung Moy Bridge ist rund zehn Kilometer entfernt und bis dahin müssen wir mindestens durchhalten. Der Weg beginnt wie er aufgehört hat. Wir laufen auf einer breiten Schotterpiste durch Kiefernwald. Relativ unspektakulär. Nach zwei Kilometern lichtet sich der Wald und wir erhaschen die ersten Blicke aufs angrenzende Tal und die gegenüberliegenden Berge. Groß und kahl ragen sie nasenförmig aneinandergereiht aus der Landschaft. Nach einer guten Stunde kämpfen sich die ersten Sonnenstrahlen durch die Wolkendecke und wir beschließen zu Frühstücken und die Zelte zu trocknen. Wir schmeißen unseren Kartuschenkocher an und kochen Porridge gesüßt mit Honig. Es ist nicht super lecker aber es macht satt. Das Wetter wird immer besser so das wir bald in T-Shirt und kurzer Hose dasitzen. Auch die Zelte trocknen zügig.

An die nachfolgenden Kilometer bis Moy Bridge erinnere ich mich nur noch unscharf. Ich weiß das der Wanderweg am Hang verläuft, er sich ewig zieht, wir die schöne Aussicht genießen und das irgendwann unser Wasservorrat zur neige geht. Kurz vor Moy Bridge entdecken wir zwei Höfe. Wir sind durstig und wollen nach Wasser fragen. Beim ersten Hof ist das Haupttor mehrmals verschlossen und es gibt keine Klingel. Wir spähen über das Grundstück und sehen niemanden. Das Haus ist dunkel, anscheinend ist keiner da. Da uns nichts einfällt was wir machen könnten laufen wir weiter. Beim zweiten Hof kommen wir zumindest aufs Grundstück und bis zum Haus. Wir klingeln, aber niemand öffnet uns. Ein Blick durchs Fenster bestätigt das hier schon länger niemand mehr wohnt. Die Post stapelt sich hinter der Haustür. Auf der Rückseite das Hauses finden wir einen Wasserhahn. Nur leider kommt kein Wasser raus. Verflixt!

Enttäuscht und durstig laufen wir weiter. Wir haben nun zwei Optionen. Erstens einen kleinen Umweg nach Moy Bridge einschlagen in der Hoffnung das uns dort jemand mit Wasser versorgt. Oder zweitens, wir laufen bis Loch Laggan, schöpfen Wasser aus dem See und kochen dieses ab. Nach einer kurzen Diskussion entschließen wir uns für Loch Laggan. Wer weiß ob Wochentags dreizehn Uhr überhaupt jemand zu Hause ist. Außerdem haben wir keine Lust auf die zusätzlichen zwei Kilometer Laufstrecke.

Nach einer weiteren dreiviertel Stunde erreichen wir Loch Laggan. Zwischendurch haben wir noch einen kleinen, weniger erfolgreichen Exkurs durchs Moor gewagt. Wir wollten abkürzen, aber die Straße wurde nicht umsonst außen herum gebaut. Egal, jetzt ist erst mal Schlafenszeit! Ich hau mich auf meinen Rucksack, mache einen Powernap, und überlasse Konrad die ganze Abkochaktion.
Unser Rastplatz liegt idyllisch gelegen auf einer kleinen Anhöhe umgeben von drei Schatten spendenden Bäumen. Neben uns Loch Laggan das sich bis zum Horizont erstreckt. Es wäre der perfekte Ort zum zelten. Leider müssen wir heute noch ein paar Kilometer schruben.

Nach gut zwei Stunden brechen wir ausgeruht, neu motiviert und mit zwei vollen Wasserflaschen wieder auf. Unser Weg verläuft am südlichen Ufer von Loch Laggan. Der See hat eine Länge von rund zwölf Kilometern und die Hälfte davon wollen wir heute noch laufen. Links und rechts der Straße stehen wiedereinmal Kiefern in Monokultur. Die Schotten legen anscheinend wenig Wert auf Mischwald. Sehr schade, die Landschaft ist zwar auch so schön, aber sie könnte traumhaft aussehen. Da es die ganze Zeit geradeaus geht kommen wir gut voran. Erst als der Weg einen Bogen nach rechts, den Hang hinauf in den Wald macht, bemerken wir, das wir eigentlich schon zu weit gelaufen sind. Mitten im Wald zu zelten hat sich wegen der vielen Midges als eher ungünstig herausgestellt. Wir laufen also ein Stück zurück. Einen Kilometer vorher hatten wir eine kleine Ausbuchtung am Straßenrand entdeckt. Die Reifenspuren lassen auf einen Parkplatz für Forstfahrzeuge schließen. Niemand ist da und so okkupieren wir den Platz für diese Nacht.

Konrad schießt noch ein paar Fotos im Dämmerlicht und da es zu Nieseln anfängt, ziehen wir uns bald in unsere Zelte zurück. Ich lese noch ein wenig und höre Musik. Gegen 22 Uhr, ich bin kurz vorm einschlafen, fängt es richtig an zu schütten und ein Sturm zieht auf. Böen brausen durchs Tal. Durch das knacken der Bäume höre ich wie sie stetig näherkommen bevor sie mit voller Wucht mein ungeschütztes Zelt treffen. Teilweise steht es so schief, das ich es mit der Angst zu tun bekomme. Ich drücke mit meinen Händen gegen die attackierte Seitenwand um das Gestänge ein wenig entlasten. Außen- und Innenzelt kleben aneinander und das Regenwasser suppt langsam durch. Toll, jetzt wird es auch noch im Zelt nass. Eine halbe Stunde harre ich so aus bevor der Sturm langsam abflaut. Ok, das Zelt steht noch aber alles ist nass. Unter meine Isomatte hat sich eine Pfütze gebildet und mein Schlafsack ist auf der rechten Seite von Wasser durchtränkt. Mit meinem Handtuch versuche ich die gröbste Nässe aufzusaugen. Erschöpft und zufrieden, in der Hoffnung dass nun das Gröbste überstanden ist, versinke ich in meinen wohlverdienten Schlaf.


Wenn ich weiter so langsam schreibe bin ich bis Weihnachten noch nicht durch mit dem Bericht. Langsam verblassen auch schon die ersten Erinnerungen, ich sollte mich also beeilen. Ma schauen wie es weitergeht. Grüße an alle!

4 Gedanken zu „Schottland – Tag 4

  1. Also Wandern in Scotland ist deutlich unromantischer als man sich das so vorstellt – scheinbar. Also bei ’nem nassen Zelt (innen) hätte ich wohl den Finger gezogen *fg* Aber ihr seid um ein paar Erfahrungen reicher 😛

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